Sonntag, 29. November 2015

grupo de PERCUSSÃO @ Pelourinho


So geht es in den vielen Straßen am Pelourinho zu... fast jeden Abend wird getrommelt was Körper und Geist hergeben. Ich habe ja schon beschrieben, dass in der Altstadt viele musikalische und soziale Projekte ihre Heimat gefunden haben - darunter auch solche, die beide Aspekte miteinander verbinden. So gibt es zig verschiedene afro-percussion / Trommel-Gruppen, die abends durch die Straßen ziehen und ihr Können vorführen; manchmal wird natürlich auch um ein paar Spenden gebeten oder es werden auch Cds auf der Straße verkauft. In den meisten Fällen sind es aber einfach ganz normale "Show"- Züge in den engen Gassen: Die verschiedenen Trommelgruppen ziehen einfach los und präsentieren ihr vielfältiges Zusammenspiel... und nach wenigen Minuten schon ziehen sie einen ganzen Rattenschwanz Neugieriger mit sich, hehe. Es wird ein paar Minuten Halt gemacht an einer Ecke ... und dann zieht die Karawane weiter; meist sind immer so zwischen 5-6 Gruppen gleichzeitig unterwegs; jede hat natürlich ihren eigenen Stil... manchmal sind es auch nur Jugendliche, kommt immer ganz darauf an, aus welcher "Schule". In diesem Fall war es eine ausschließlich weiblich aufgestellte Gruppe.

Das Video hat Jana gemacht als wir zusammen mit ein paar Leuten wie fast jeden Dienstag Abend durch die Straßen der Altstadt gezogen sind. Es fängt meiner Meinung nach sehr gut die kraftvolle und energiegeladene Atmosphäre ein, die dort am Pelourinho an den steilen und engen Ladeiras durch so ein Massen-Trommel-Ereignis erzeugt wird. :-) Es berührt einen wirklich am ganzen Körper ... wenn 20 Trommeln in Takt und Rhythmus zusammen geschlagen werden, man kann einfach nicht still stehen, sondern muss sich unweigerlich mitbewegen ... (oder Luft-Schlagzeug spielen haha). 
Man kann die Energie wirklich fühlen in diesen Momenten der Darbietung; ungeheuer kraftvoll ... und laut! 
:-)

Samba in Santo Antônio

Jeweils am letzten Freitag im Monat findet auf dem großen Platz vor der Kirche im Bezirk Santo Antônio eine besondere "Samba-Party" statt. Es spielen verschiedene Bands und man trifft sich, trinkt, hat Spaß ... und es wird natürlich auch getanzt. ;-) Sehr lässige und entspannte Party. 
Santo Antônio ist sozusagen der "Anschluss-Bezirk" hinter der Pelourinho in der Altstadt (siehe Karte unten!), man muss nur ein paar Hundert Meter weitergehen, durch wunderschöne kleine Straßen, mit alten, sehr fein und bunt herausgeputzten historischen Häusern. Ich mag es dort sehr und habe den Platz vor der Kirche (Largo Santo Antônio), wo die Samba stattfand, schon oft auch tagsüber besucht; weil man von dort einen schönen Blick auf den Hafen von Salvador hat. 

Am letzten Freitag im Oktober bin ich dann mit Juliette und Irene da aufgelaufen und wir haben auch noch andere Leute von der Schule getroffen bzw. Bekannnte von Bekannten... wie das eben immer so läuft. ;-)
War sehr cool und entspannt. Alles schön unter freiem Himmel. Perfekt ... auch wenn es leider ausnahmsweise mal kein alkoholfreies Bier für mich gab. ;-) Das hab ich mir dann aber später in einer Straßenkneipe am Pelourinho geholt. Und ich muss sagen bzw. mich wiederholen: Mir taugen die alkoholfreien Biere hier in Brasil! Da gibt es nichts dran zu rütteln. :-)




so sieht es in meiner Straße dann aus, wenn es mal regnet ... ein wirklich sehr  sehr seltener Anblick während meiner Zeit in Salvador











danach gings natürlich in den Straßen des Pelourinho noch weiter

Bahia Bahia









Largo Campo Grande / Avenida 7 setembro ... und die Jungs an den Autos

Ich habe ja schon oft von meinen Lieblingsplätzen in der Stadt geschrieben... aber wenn ich mich abseits vom Pelourinho für einen Platz entscheiden müsste, dann wäre es definitiv der Large Campo Grande.
Es ist eine zentral gelegene öffentliche Parkanlage, inmitten eines Bezirks, der voller Hochhäuser, Museen und anderen öffentlichen Gebäuden ist. Der Largo Campo Grande ist von allen 4 Seiten umfahrbar, vermittelt aber trotzdem eine unglaubliche Ruhe und Entspanntheit. Vielen Leute nutzen die Anlage natürlich für Sport und Fitness (hab ja schon oft beschrieben, die Brasilianer sind da wirklich wahnsinnig besessen... frühmorgens, abends, immer sporteln), aber der Großteil kommt einfach zum relaxen, quatschen, Freunde treffen. 
Ich hab mich am Largo Campo Grande jedenfalls immer sehr wohl gefühlt und hab dort oft kurz oder mal lang "Halt" gemacht wenn ich zu Fuß weiter ins Zentrum der Stadt unterwegs war. Auch abends habe ich hier oft noch bis spät in diesem kleinen und so schönen Park gesessen, hab einfach die Atmosphäre genossen, Musik gehört, die Menschen beobachtet.
Die Anlage ist gar nicht mal so groß, aber dafür recht kompakt, wie ein Viereck, mitten im dichten Verkehrstreiben der Stadt. 
Es gibt auch immer viel Polizeipräsenz dort .., manchmal langweilen sich die Einsatzkräfte dort wohl sehr, dann filzen sie über eine halbe Stunde irgenwelche Leute, die dort vermeintlich Sport machen (und dabei dann doch Drogen verticken?!). Hab ich jetzt 2x mitbekommen; ich war gerade am spazieren im Park und auf einmal macht der Polizist so eine Geste, dass ich auf keinen Fall näher kommen soll. Hab mir das dann aus der Ferne angeschaut, schon krass was die da alles mit so einem "harmlosen" Jogger anstellen, aber klar... gedealt wird hier natürlich auch nicht gerade wenig.

Auf der einen Seite des Largo Campo Grande befindet sich das grüßte Theater der Stadt, weswegen die Straßen um die Parkanlage immer dicht beparkt werden.
Hier habe ich nun oft ein typisch brasilianisches "Phänomen" beobachten können: Es gibt in vielen Straßen, wie auch hier, keine Parktickets oder dergleichen ... nein, vielmehr sind diese Straßen im "Herrschaftsbereich" von "Straßenjungs", die dort den Tag und die Nacht abhängen und ihre Zeit dort mit einem sozusagen "Geschäftsmodell" verbinden.

Dies Geschäftsmodell sieht so aus: Ein Autofahrer will abends ins Theater, umfährt den Largo Campo Grande auf der Suche nach einer freien Parklücke. Die angesprochenen Jungs in der Straße winken den Fahrer sofort herbei und lotsen ihn in die freien Stellen... so wie normale "Einweiser" in einem Parkhaus. Der Hauptteil dieser "Dienstleistung" besteht aber natürlich in der "Sicherung" des Autos ... die Jungs passen auf, dass es nicht geklaut wird. Soso.

5 Reais soll/muss/kann man dafür abdrücken, auch wenn man gar nicht eingewiesen wird und einfach sein Auto hier so parkt. Tja... in 90 % der Fälle bezahlen die Leute...

Der Unterschied ist nur: Diese Jungs sind weder bei der Stadt angestellt, noch beim Theater, noch bei sonst irgendeiner Institution. "Sie dominieren" die Straße, erklärte mit Naja aus meiner Familie, als ich sie eines Morgens beim Frühstück auf diese Sache angesprochen habe. Wenn man also in vielen stark frequentierten Bereichen Salvadors einen Parkplatz an einer stark befahrenden Straße haben will, dann muss man sich in den allermeisten Fällen mit diesen "Straßenjungs" herumschlagen bzw. sich auf diese einlassen. Die machen das einfach so ... weil sie es können. Die Stadt geht scheinbar gar nicht dagegen vor und im Laufe der Zeit ist das einfach so ein Gewohnheits-Ding geworden. Es hinterfragt eigentlich keiner mehr so richtig. Es ist einfach so...  Diese Leute, die quasi die Straße "beherrschen", die machen das einfach so, ohne Legitimation oder Auftrag von irgendwem. Sie geben sich einfach ihren eigenen Auftrag. ... weil sie es können und weil niemand dagegen vorgeht. Gewohnheit.

Irgendwelche Jungs aus den nahegelegenen Favelas sind quasi die inoffiziellen Straßen-und Parkplatzherrscher, auf deren Regeln man sich eben einlassen muss/ sollte. Sie haben überhaupt keine Legitimation von irgendwem dafür...Sie geben vor, auf die Parkplätze und eben damit die Autos aufzupassen und rufen dafür gewisse Preise auf... die man zahlen sollte bzw. "muss".
Sonst, ja sonst kann man bei der Rückkehr aus dem Theater schon mal eine böse Überraschung erleben und sein Auto mit einigen Kratzern wiederfinden... das werden die Jungs einem zwar nicht direkt am Anfang sagen (manchmal aber vielleicht doch), aber diese unausgesprochene Konsequenz trägt eben jeder, der in dieser Stadt ein Auto fährt, immer im Bewusstsein.

Ich hab eines Abends mal mit einem dieser Jungs, die da immer am Campo abhängen, ein kleines Gespräch geführt, sofern mir das möglich war... denn "normales" bras. Portugiesisch sprechen diese Jungs eher nicht, klar... Slang. Ich hab ihn einfach gefragt, wie dieses Modell mit dem Parken so funktioniert. Er hat mir dann natürlich erklärt, dass sie nur die besten Absichten haben und immer nur auf die Autos aufpassen, klar... aber als ich ihn  gefragt habe, was passiert, wenn jemand nicht bezahlt... da musste er nur schmunzeln. 

Klar, jeder weiß wie dieses Modell abläuft und (fast) jeder spielt das Spiel mit. Wer will schon ein zerkratztes Auto ... wenn es "nur" 5 Reais kostet dieses Risiko nicht einzugehen. Is klar. Rob aus meiner Gastfamilie hat sich immer wieder massiv darüber aufgeregt, dass diese Art von "Straßengeschäften", die einem sozusagen durch die Umstände aufgezwungen werden, hier in Salvador quasi an der Tagesordnung sind und sich  noch in vielen anderen Beispielen wiederfinden lassen.

Nunja, einfach nur mal so vorstellen ... wie es wäre, wenn es das in Deutschland geben würde. :D ;-) 
Dieses ganze "Modell" mit dem Parken und Bezahlen, dieser ganze "informelle Sektor" lässt sich übrigens nicht nur in den Straßen der Stadt beobachten, sondern auch bei den unzähligen Parkplatz-Ecken und Streifen, die nicht als "offizielle" Parkplätze ausgewiesen sind: Irgendwelche Leute "dominieren" diese Plätze einfach und sacken das Geld ein, wenn man dort sein Auto parken will. 

Ich könnte noch viele andere Beispiele nennen... wie groß dieser "informelle Sektor" an Dienstleistungen und KLEINEN GEFÄLLIGKEITEN in Brasilien ist. 

So läuft das hier.







































Ein paar Meter vom Largo Campo Grande entfernt beginnt schon die Avenida 7 setembro, die mit Abstand "reichste Straße" in Salvador, die durch das Viertel Vitória führt. Hier stehen dicht an dich die teuersten Hochhaus-Komplexe der Stadt, einige Museen, man sieht die teuersten Autos, abends führt Frauchen den Hund spazieren und mit ein paar Ausnahmen sieht man fast nur "weiße" Menschen entlang dieser Straße. 
Ich mag die Straße dennoch trotz dieser beschriebenen "Verschlossenheit der reichsten 1 % der Gesellschaft", die in dieser Gegend residiert, weil es eine relativ "sichere" Möglichkeit für mich ist, abends vom Campo Grande nach Barra zu gehen. Man geht dort quasi die ganze Zeit entlang dieser schwer gesicherten Hochhäuser, hat immer einen Porteiro an den Eingängen der Apartments sitzen; klar kann man auch hier überfallen werden, aber meist habe ich mich hier relativ sicher gefühlt.

Kur vor "meinem" Viertel Barra gibt es dann auf der rechten Seite den Yachthafen. Vor diesem gibt es inmitten dieser riesen und teuren Apartment-Hochhaus-Komplexe eine kleine "Comunidade", die sich dort vor einigen Jahrzehnten angesiedelt hat. Leider müssen werden diesee Menschen dort seit 1, 2 Jahren immer wieder von Seiten des Yachtclubs unter Druck gesetzt, ihre einfachen Behausungen doch bitteschön zu verlassen, weil man diese "Zone der Reichen" noch weiter ausdehnen will... :-/ Der Fall ging die letzten Monate vielfach durch die Medien in Salvador und hat zu allerlei Protestaktionen und öffentlicher Anteilnahme geführt. Dieser kleine Treppen-Weg führt direkt in die kleine Gemeinde...


















Hier ist man dann nach 2-3 Kilometern schon wieder am Ende der Avenida 7 setembro, die Igreja Santo Antônio da Barra markiert den Beginn "meines" Viertels Barra ganz im Süden der Stadt.