Freitag, 14. Juli 2017

Maranhão






Maranhão ist der zweitgrößte Bundesstaat des Nordostens und es leben hier ca 5,7 Mio Menschen (Maranhenses). Davon knapp 2/3 in größeren Städten. Durch seine geographische Lage zwischen dem Nordosten und dem Amazonas-Gebiet besitzt Maranhão verschiedene Klima- und Vegetationszonen. Während im Süden und Osten die für den Bundesstaat bekannte Babaçu-Palme (deren Bestandteile auf vielfältige Weise verwendet und veredelt werden) wächst und ziemliche Trockenheit vorherrscht, geht der Westen und Nordwesten in den Regenwald des Amazonas über.

In den letzten Jahren ist der Bundesstaat national und international leider vor allem durch große Gewaltkonflikte und Kriminalität aufgefallen. Mehrere Berichte über sehr heftige heftige und brutale Gefängnisrevolten machten weltweit Schlagzeilen. 
Dabei darf man nicht vergessen: Der Nordosten Brasiliens ist sozusagen das Armenhaus des Landes: Zwei von drei Familien leben unterhalb des Existenzminimums, das Einkommen liegt hier um 40 Prozent unter dem im Süden Brasiliens. Vor allem die Konzentration des Landes und der Reichtümer in den Händen weniger (Brasilien liegt ja bei der Ungerechtigkeit der Güter-Verteilung zwischen arm und reich ja immer noch trotz aller "Schwellenland"-Diskussionen aus den letzten Jahren in den Top 10) machen das Leben für Millionen Menschen menschenunwürdig: 

Die Lebenserwartung liegt bei nur etwas mehr als 55 Jahren, über 100 von 1000 Kindern sterben, bevor sie das sechste Lebensjahr erreicht haben - und Millionen Kinder müssen sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Die "Landflucht" ist in diesem Zusammenhang seit Jahrzehnten das neben der Kriminalität dominierende Thema, aktuell mehr denn je: Hunderttausende „Nordestinos“ verlassen Jahr für Jahr die ländlichen Gebiete auf der Suche nach einer Zukunftsperspektive. Sie sehen ihre Chance n den Großstädten - und landen oft in den Favelas.

Besonders an der Entwicklung der Hauptstadt São Luís ist dies sehr deutlich zu veranschaulichen: 
Explosionsartig hat sich hier die Einwohnerzahl in den vergangenen 25 Jahren von 350000 auf schätzungsweise 1 Million vergrößert. Das sprunghafte Anwachsen spiegelt diese strukturelle Verlagerung der Bevölkerung vom Land in die Stadt wider. Lebten 1960 noch 55 Prozent auf dem Land, sind es heute nur noch ca. 25 Prozent. Die Gründe für diese Landflucht sind vielfältig und mehrschichtig: Die Landwirtschaft hat für viele  Menschen jegliche Zukunft verloren, da oftmals die Produktivität des Bodens nachgelassen hat und die Preise für die landwirtschaftlichen Produkte herunter gingen. Darüber hinaus stellten haben auch immer mehr Großgrundbesitzer auf die vom Staat subventionierte extensive Viehwirtschaft umgestellt. 
Dazu kommt die politische Komponente: Landkonflikte bestimmten immer noch den Nordosten und viele Kleinbauern wurden - oft auch durch Morddrohungen von ihrem Stück Land vertrieben. Immer mehr Dörfer verschwinden von der Landkarte. So wird es verständlich, dass ein großer Teil der Landbevölkerung immer mehr in der Großstadt die Lösung vieler Probleme sah und immer noch sieht, ohne zu ahnen, dass dort oftmals "nur"kein Platz zum Wohnen, Hunger und schlecht bezahlte Aushilfsjobs warten.

Besonders hier in São Luís - einer Stadt mit vielen Gewässern - hat diese Entwicklung, weil bebaubares Land oft sehr teuer ist, dazu geführt, dass sich die Vertriebenen vom Land und andere sehr arme Teile der Bevölkerung in den Meeres- und Flussarmen angesiedelt haben. Hier sind sogenannte "Palafitas" (Pfahlbausiedlungen) entstanden: Auf wackeligen Stegen gelangen die Menschen zu ihren Häusern aus Pappe, Brettern und Plastikplanen - immer mit dem Risiko der Gezeiten und der Gefahr, dass plötzlich wieder alles unter Wasser gesetzt ist. 
Immer wenn ich mit dem Bus über die beiden zentralen Brücken der Stadt fahre, sehe ich diese Siedlungen. :-(




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