Montag, 10. Juli 2017

Bairro Vincente Pinzón (Mirante +++)


Ich freue mich ja immer wenn ich hier in Brasilien eine "Mirante" entdecke, also einen "Aussichtspunkt". Ich liebe es wenn ich so einen Überblick über eine Stand bekommen kann bzw. auch nur über einen Stadtteil: Die verschiedenen Strukturen, die Unterschiede der Häuser, kleine Favelas und Comunidades zwischen Hochhaus-Reihen... ich habe das geliebt in Maceió und Salvador.

Hier in Fortaleza ist die Situation diesbezüglich etwas anders: Fortaleza selbst ist fast komplett flach, es gibt zwar ein paar kleinere Hügel innerhalb des Stadtgebietes, aber eigentlich nur einen "richtigen" Berg, den Morro Santa Terezinha. Der ist dann aber auch gleich so groß, dass die Ladeiras zu allen Seiten diejenigen in Salvador in Länge und "Steigungsgrad" locker übertreffen. Vom 2. höchsten Punkt (ganz oben ist ein kleines eingezäuntes Militärgebiet) im Viertel Vincente Pinzón hat man den schönsten Ausblick auf die Stadt. Es gibt hier sogar einen Praça do Mirante, der aber leider inzwischen komplett "verweist" ist, bis auf dasjenige Klientel, das solche Plätze bei Anbruch der Dunkelheit aufsucht...aber dazu gleich mehr.

Das "Viertel" Vincente Pinzón (eigentlich eher ein riesieger Stadtteil mit ca. 46 Tausend Einwohnern) hat sich im Laufe der Jahre immer weiter auf / um den Morro Santa Terezinha ausgebreitet und besticht durch die vielen Ladeiras und die schmalen Straßen und Gassen über eine wahnsinnig "enge" und pulsierende Atmosphäre, wenn man mit dem Bus durchfährt. So viele Menschen, so wenig Platz... wie sage ich immer: "Hier könnte man ein Messgerät aufstellen, was den Puls des Lebens misst.... und es würde hier auseinanderbrechen, so viel ist hier los..."

Vincente Pinzón und seine "Nachbargemeinden" rund um den Berg haben im Gegensatz zu den angrenzenden Stadtvierteln "unten" zu den Stränden eine ganz andere Sozial-und "Wohnstruktur", wie man schon auf den Fotos sehen kann. Favelas gibt es hier einige und viele Bewohner an den Hängen haben wie in vielen solchen Fällen (wie es sie ja zuhauf in fast jeder brasilianischen Stadt gibt) große Probleme bei Regen: Der Boden wird weggetragen und viele dieser nur unzureichend geschützten "Häuschen" werden zerstört bzw. überschwemmt. Zuletzt ist an der Ecke zum Strand eine riesige Fläche des Hügels vom Regen "abgetragen" worden, so wie es bei einem Schneerutsch passiert. :-(

Es gibt viele soziale Probleme rund um den Hügel und der Ruf ist wirklich nicht der Beste. Das habe ich in vielen kleinen Gesprächen auf der Straße und mit den Leuten in der Pousada schnell gemerkt. Viele Einheimische waren noch nie oben auf dem Hügel und haben mit allerhand Schaudergeschichten aufgewartet: Drogen und Überfälle. Klar, aber das hört man ja ständig. Aberr auch manche Taxifahrer weigern sich strikt nach ganz oben zur Mirante zu fahren. Wie ich später erfahren habe, hat sich dies zuletzt dahingehend niedergeschlagen, dass quasi die ganze Gastronomie und Bar-Szene oben auf dem Berg (der vor einiger Zeit auch von Touristen oft besucht wurde - klar: Es ist die beste Lage der Stadt) gestorben ist, weil es so viele Überfälle und Kriminalität gab und immer noch gibt.

Wirklich traurig: Man sieht die ganzen Restaurants und Imbisse und denkt sich: Was muss hier alles passiert sein, dass die alle weggezogen sind. Eine kleine Suche im Netz hat es mir dann schnell erklärt: Raubüberfälle auf Taxis am laufenden Band. Klar, abends fahren die Busse nicht mehr so spät noch im Takt und das Taxi ist bei der Entfernung (es ist wirklich ein weiter Weg durch die kleinen Gassen den ganzen Berg hoch bis ganz nach oben) die einzige Möglichkeit.

Ich habe auch mit mehreren Taxifahrern darüber gesprochen, aber so richtig erklären konnte mir das keiner. Es gibt zwar einen kleinen Polizeiposten dort oben, aber der scheint nicht wirklich effektiv zu arbeiten bzw. bringt auch nicht viel wenn die Überfälle weiter unten auf dem Weg passieren. 
Auf jeden Fall ist da oben leider alles an Gastronomie versandet bzw. vertrieben worden und so richtig verstehe ich das nicht, wieso die Stadt Fortaleza diesen Ort nicht besser bzw. mit "mehr" Polizei-Präsenz versorgt hat... Naja, aber auf der anderen Seite: Man wird es wohl versucht haben und es wird nichts gebracht haben. Der Berg ist riesig, die Gassen sind unübersichtlich und der Weg nach unten ist weit.

Heute ist es so wie mir eine Wasser-Verkäuferin am Strand erklärt hat: "Weißt du, warum soll ich da oben hin? Da geht keiner hin, da fährt keiner rauf, da sind nur die Leute die da wohnen und eben die, die dort ihre Drogen kaufen. Die fahren kurz hoch, kaufen ein und sind dann schnell wieder runter."

Ich bin mit Roberio mit dem Bus hoch und hab schnell gemerkt, dass man razfaz "gescannt" wird. Es dauerte keine 30 Sekunden nach Ausstieg aus dem Bus bis ich drauf angesprochen wurde, ob ich etwas kaufen will.

Für mich aber mit das beste "Erlebnis" hier in Fortaleza: Die Fahrt durch Vincente Pinzón, das Hochschlängeln des Busses an den Hängen... und natürlich die Aussicht. Und das Sofa, auf jeden Fall! ;-)


































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