Sonntag, 25. Oktober 2015

Porteiros und Condomínios




Das Apartment hier, in dem ich wohne, befindet sich im 6. Stock eines Wohnkomplexes. Wie es sich für ein solches Objekt in Brasilien gehört, gibt es natürlich die Porteiros, also die Männer, die unten den Eingang überwachen, einem die Tore aufschließen und dafür Sorge tragen, dass hier niemand reinkommt, der hier nicht reinkommen soll. He, das ist Brasilien. Sicherheit über alles bei der Klasse der Reichen und der Mittelschicht, sofern sich diese es leisten können. Dazu machen sie alles andere an Service hier am Gebäudekomplex: Waschen die Autos in der Garage, kümmern sich um die Bewässerung der Pflanzen, putzen das Treppenhaus etc.

In den reichen Condomínios ist es besonders krass. Riesige Anlagen, die quasi einzelne Wohnviertel darstellen, die eine eigene Welt für sich sind. Mit riesigen Apartmentkomplexen, Schwimmbädern, Fitnessräumen, eigener Wäscherei und weiteren Service Einrichtungen. In 2en war ich bereits drin als ich hier Kollegen von der Sprachschule besucht habe. Ich muss irgendwann nach dem Weg fragen, weil ich verloren war in dem Gewimmel an Aufzügen, Apartments, Stockwerken etc. Wahnsinn. Und gleichzeitig sehr interessant, diese Wohnform und was damit einhergeht. Das sind einzelne, komplett abgeschottete Wohnviertel, in die man nur reinkommt, wenn man sich ausweisen kann.

Ich fahre jeden Tag mit dem Bus an dem reichsten Stadtteil hier in Salvador vorbei. Dort ist es noch um einiges auffälliger als hier in Barra. In Vitória leben die Vertreter der Oberschicht in luxuriösen, gut gesicherten Hochhausapartments. Die baumgesäumte Allee davor sieht gepflegt aus und statt jungen verfetzten Drogenabhängigen sieht man hier gut gekleidete Senhoras das Hündchen ausführen. Die Herrschaften fahren mit teuren Autos ein- und aus von der Arbeit bis ins nächste schicke Shopping-Center. Auch das ist Salvador - zwei Parallelwelten der Extreme existieren hier Seite an Seite. Wer im Barra Shopping oder irgendeinem anderen der vielen Konsumtempel umherspaziert, sieht nichts von Armut und Gewalt. Alles ist hygienisch, modern und hip. Einkaufen ist die Lieblingsbeschäftigung der Oberschicht - in dieser schönen heilen Welt kann man fast vergessen, was da draußen vor sich geht. Doch kaum geht man ein paar Schritte weiter, holt einen die Realität wieder ein. Man hört im Taxi Horrorgeschichten von Überfällen auf gesichterte Wohnkompkexe...

Wohl nirgendwo in Braslien ist das soziale Gleichgewicht unausgeglichener als in Bahia. Die Sicherheitsleute gehören immer zur Condomínioadministration und leider sind sie auch notwendig. Bahias Kriminalität und Sicherheitsprobleme seien in den letzten 10-15 Jahren extrem angestiegen, so wurde mir berichtet. Die Entwicklung kann man schon so auf den Punkt bringen: Immer mehr Reiche ziehen sich in Luxusghettos zurück und der Rest versinkt in Armut, Chaos und Gewalt.

Hier in Barra, meinem Viertel und in vielen vielen anderen Bezirken der Stadt ist es völlig normal, dass die Stadt übersäumt ist von diesen Anlagen mit Sicherheitszaun, und Wachpersonal. Auch die "normale" Mittelschicht lebt so und muss für diesen Service an Sicherheit natürlich jeden Monat bezahlen. Sofern man nicht in einem Apartmentkomplex wohnt, der kein Sicherheitspersonal aufweist. Aber das sind wirklich nur ganz ganz wenige hier. Einzelne Häuser gibt es hier eigentlich gar keine. Nur dieser riesen Komplexe. Je reicher die Gegend, desto aufwendiger der Sicherheitsapparat. So lebt man hier, sofern man nicht in den Favelas und vergleichbaren Wohnvierteln der unteren Schichten residiert. Ganz normaler Alltag. 

Für mich war das Prozedere des Ein- und Ausgangs hier anfangs etwas ungewohnt, aber inzwischen ist es das Normalste auf der Welt für mich. Ich steh am Sicherheitszaun, die Jungs sehen mich, machen gleich auf... oder erkennen einen schon von weitem; ein kurzer Plausch und dann gehe ich nach oben. Wenn man andere Leute in deren Apartments besuchen will, dann ist es schon etwas schwieriger: Man muss sich erst anmelden bei den Porteiros, wird dann ins Zimmer verbunden und erst wenn der/diejenige, den man besuchen möchte, sein okay gibt ... erst dann darf man hinein. Man wird auf jeden Fall, egal wie unschuldig man aussieht (oder ein Hippie ist wie ich mit Peace-Kette aus Holz um den Hals) niemals einfach so durch das Tor gelassen, wenn man dort unbekannt ist. Aber das Krasse ist: Sobald man ein Mal dort gewesen ist und Eingang erhalten hat kennen die Porteiros dein Gesicht. Sie sind 24 Stunden hier in Wechselschicht an der Tür bzw. am Tor. Sitzen da hinter ihrem Schreibtisch bzw. einem Extrabereich mit Blick auf die Straße und behalten das Geschehen auf der Straße im Auge. Wie gesagt, es gibt also für alles einen Grund. Auch für diese Form der Abschottung. Aber gewöhnungsbedürftig ist es trotzdem. Für Brasilien und die Menschen hier ist es jedoch die totale Normalität.




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