Sonntag, 25. Oktober 2015

empregada doméstica




Neben den Cardosos und Rob gibt es noch eine andere Person hier im Haushalt: Carlinda, die Hausangestellte bzw. das "Hausmädchen" / "empregada doméstica". Hausangestellte? Joa und? Nein, so einfach ist es nicht. Dieses Thema ist schon ganz ganz anders zu sehen als in Deutschland. Man muss sich das so vorstellen: 
Es sind in ganz Brasilien Millionen von Frauen, die sich im Morgengrauen auf den Weg von ihren armen Stadtvierteln in die der Reicheren begeben. Dort arbeiten sie in der Regel für den Mindestlohn, also für ca. 150 Euro im Monat. Eigentlich jede Familie, die "etwas auf sich hält", engagiert eine empregada. Dieses Erbe des feudalen Zeitalters entspannt zudem das Geschlechterverhältnis in den wohlhabenden Familien: Weder Frauen noch Männer müssen kochen, waschen oder putzen. Frauen sind hier fast immer berufstätig - nur vom Gehalt des Mannes können die wenigsten Familien gut leben. Die sozialen Schichten werden dagegen zementiert: An den Frauen, von denen viele aus dem armen Nordosten Brasiliens auf der Flucht vor der Armut in die Randgebiete der großen Städte kommen, bleibt die gesamte Hausarbeit des Landes hängen. Überspitzt gesagt: Entweder man hat eine empregada oder man ist eine.
Für mich war das bzw. ist es immer noch eine Sache, mit der ich schwer klarkomme, weil ich nicht damit aufgewachsen bin so wie die Kinder in meiner Gastfamilie bzw. die Brasilianer an sich. Ich mag Carlinda wirklich gerne und morgens unterhalten wir uns oft in der Küche, wenn sie das Frühstück vor- und zubereitet. Aber man muss das alles auch sehr sehr kritisch sehen. Natürlich bekommen diese jungen Frauen durch diese Arbeitsstellen die Möglichkeit der Arbeitslosigkeit zu entgehen, aber es ist schon sehr krass für mich das so zu erleben, dass sie hier wirklich alles macht, jeden Tag 2-3 Stunden Fahrzeit auf sich nimmt und wenn keine Arbeit ansteht hier in einem kleinen Zimmer hockt. Ich glaube schon, dass sie hier wirklich sehr gerne arbeitet und wohl auch "zufrieden (?)" ist, aber insgesamt sehe ich das alles doch sehr kritisch. 
Es ist irgendwie sehr unangenehm das mitansehen und erleben zu müssen, dass sie hier wirklich alles im Haushalt macht und viele Brasilianer selbst keinen einzigen Finger rühren. Einfach weil sie es sich leisten können. Bei einigen Gesprächen mit Brasilianern wurde von diesen immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass diese (fast ausschließlich dunkelhäutigen) Hausmädchen - Sache ein übergebliebenes Relikt aus der Zeit der Sklaverei darstellt und einfach zur Verfestigung der materiellen Unterschiede hier beiträgt bzw. diese dauerhaft aufrecht erhält. Teilweise ist es noch heute so, dass in den großen Wohnanlagen die Hausmädchen einen extra Aufzug nehmen müssen - eben jeden der für den Müll, die Reinigungssachen etc. vorgesehen ist. Es gibt in den großen Condomnínios (die riesen Wohnanlagen, mit großen Sicherheitsapparat, Wachposten; quasi eine eigene Welt für sich) immer 2 Aufzüge, so wurde mir erklärt... da wird man dann schon traurig, wenn man sich das alles langsam ins Bewusstsein ruft. Wenn man nicht irgendwie davon erfährt, dann wird man nicht so schnell damit konfroniert, wie unterschwellig mit den Hausmädchen oft umgegangen wird.
Für mich ist es nach wie vor eine Sache, mit der ich etwas "Probleme" habe umzugehen. Es ist nicht so, dass ich es "daneben" finde, dass es hier eine Hausangestellte gibt, nein. Ich habe mich auch vorher mit dem Thema beschäftigt und wusste, was mich erwartet. Jedoch die Erfahrung zu machen, dass einem hier alles hinterhergeräumt wird, das man quasi nicht selbst abwaschen muss, dass einem das Frühstück serviergerecht aufbereitet wird, dass jeden Mittag gekocht wird, das ist schon... naja, nicht so einfach damit umzugehen. Vor allem wenn man selbst mal etwas helfen möchte und Carlina sofort deutlich macht "Nein, nein... das mache ich schon. Das brauchst du nicht machen. Das ist meine Aufgabe."
Klar, wenn man einfach den Kopf zu macht, sich keine weiteren Gedanken macht, dann findet man das bestimmt total super und klasse. Das ist aber nicht meins. Und ich kann niemanden verstehen, der das alles total cool finden würde. 

Ich denke eher, was unterschwellig mit diesem sozialkulturellen Phänomen einhergeht an Subtext und Aussage; das ist etwas, was ich schwer in mein Werte-System integrieren kann. Klar, ich weiss schon lange, dass man in Brasilien einfach alles mögliche an Service (- Menschen) einkauft, um mehr Zeit zu haben bzw. sich das eigene Leben zu erleichtern, aber man kann diese Sache mit den "empregadas" nicht komplett von der Geschichte der früheren Sklaverei bzw. der dadurch einhergehenden Verfestigung der ökonomisch bedenklich großen Trennung zwischen den Reichen und den Armen losgelöst sehen. "Ich bin so reich, ich hab einfach jemanden, der alles für mich erledigt, kocht, wäscht, saubermacht etc. ". Hmmm... 
Ich mache den Menschen bzw. meiner Gastfamilie natürlich keine Vorwürfe oder dergleichen; es ist einfach hier so und man kennt es nicht anders in diesem Land. Für mich bleibt es aber eine Sache, die ich sehr kritisch sehe. Ich habe höchsten Respekt für Carlinda und ihre Arbeit.

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