Sonntag, 25. Oktober 2015

Os Cardosos (e Rob)


So, nun bin ich schon 4 Wochen hier in Salvador. Zeit, dass ich euch mal einen kleinen Einblick hier in meinen Alltag gebe. Wie viele von euch ja schon wissen, lebe ich für die Zeit meines Aufenthaltes hier in der Stadt bei einer brasilianischen Gastfamilie. Ich habe das deshalb so gewählt, weil es eine gute Möglichkeit ist, wenn man wie ich sein Portugiesisch verbessern möchte, da man so viele Gelegenheit hat sich ein bisserl zu unterhalten; sei es beim Essen am Tisch oder einfach mal so zwischendurch. :-) Ich bin jedenfalls sehr zufrieden mit meiner Unterkunft und bin hier von Familie Cardoso unglaublich nett und herzlich aufgenommen worden. :-)
Schon verrückt, nach den paar Wochen fühle ich mich schon richtig "zu Hause" hier ... wie schnell man sich an so vieles gewöhnt. :-) Die Gerüche, die Geräusche, die Blicke aus dem Fenster... einfach das "Gefühl" wenn man aus dem Omnibus steigt und "nach Hause" geht. :-)

Elia ist Ende 50 und arbeitet als Psychotherapeutin in einer Klinik und auf eigene Rechnung in ihrer Praxis. Durch einen früheren Aufenthalt in Frankreich spricht sie sehr gut französisch. Sie hat schon einige Sprachschüler_innen wie mich hier bei sich zu Hause gehabt und ist eine sehr warme und mitfühlende Person. Das habe ich jedenfalls gleich am ersten Abend gemerkt. Sie liebt Kunst, Malerei und Literatur und hat das Apartment hier auch dementsprechend stilvoll mit vielen Bildern und Kunstwerken eingerichtet. Dazu gibt es viele alte klassische Möbel, so dass hier eine wirklich sehr schöne Wohlfühl-Atmosphäre herrscht. Auch mein Zimmer ist sehr schön eingerichtet mit einem alten rustikalen Schreibtisch und vielen alten, stilvollen Möbelstücken. Mir gefällt es auf jeden Fall sehr und ich habe mich nach 4 Wochen schon richtig an alles gewöhnt. :-)

Auch daran, dass ich hier zu Hause mit allen strikt und ausschließlich Portugiesisch spreche! So soll es sein! :-)

Elia hat unter der Woche einen sehr unterschiedlichen Arbeits- und Lebensrythmus, dadurch dass sie neben der Klinikarbeit noch in ihrem Büro arbeitet. Manchmal sehen wir uns nur beim Frühstück, manchmal auch zwischendurch am Tag oder nur abends, das kommt immer ganz drauf an wann sie wo arbeiten muss. ich bin ja auch meist sehr viel unterwegs und wenig in meinem Zimmer. Auf jeden Fall merkt man bei ihr, dass sie wirklich viel und gerne mit Menschen arbeitet und sich mit ihnen und ihrem Leben beschäftigt. Wir haben schon einige schöne und auch etwas tiefergehende Gespräche gehabt, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie mit meinen bisherigen Portugiesisch Kenntnissen führen kann. 

Rob ist Anfang 60 und der Lebenspartner von Elia. Er ist vor ca. 10 Jahren aus Amerika nach Salvador gekommen. Ursprünglich hat er hier als Zahnarzt arbeiten wollen, aber die brasilianische Bürokratie hat es sozusagen verhindert. 4 Jahre hätte es für ihn gedauert bis er hier eine Lizenz bekommen hätte. So hat er einen anderen Weg eingeschlagen und arbeitet jetzt für eine international tätige Firma, die diese Magnet-Teile vertreibt, die sich vielfach an den Kühlschränken wahrscheinlich auch bei euch zu Hause finden lassen und die man so gerne aus dem Urlaub als Andenken mitbringt. Sehr interessant. Zur Zeit ist er gerade eine Woche auf Geschäftsreise in Rio de Janeiro. 
Ich schätze es immer sehr mich beim Frühstück mit ihm zu unterhalten, da er als "Ausländer" einen ganz anderen Blick auf Brasilien hat als jemand, der hier sein ganzes Leben verbracht hat. Er ist oft sehr kritisch mit der brasilianischen Gesellschaft, der Mentalität, der Art wie hier Geschäfte gemacht werden ... ich hab neben der Sprache schon eine Menge von ihm über das Leben hier gelernt. Dinge, die man einfach sonst nicht so wahrnimmt, weil man nicht auf sie achtet bzw. sie nicht mitbekommt, wenn man hier nicht arbeitet. Besonders was den "unterschwelligen Rassismus", die Gegensätze zwischen Arm und Reich hier in der Stadt betrifft, die Mentalität der Menschen hier im Vergleich zum Rest von Braslien.. und bei vielen vielen anderen Themen hat er mir viel Interessantes erklärt und beigebracht. Insgeheim zieht er Rio Salvador aber vor, da er einfach dort mit der Mentalität der Leute besser zurechtkommt, wie er mir erzählte. "This here is Africa" meinte er eines Morgens zu mir und ich kann schon nachvollziehen wie er das meint. 
Auf jeden Fall ist es sehr cool für mich hier die Möglichkeit zu haben mit so jemandem wie ihm interessante Gespräche über die Stadt und deren Probleme, Menschen und Herausforderungen zu führen, jemandem der auch "von außen" kommt und sich diesen Blick auch immer noch bewahrt hat. Rob bzw. Robert(o) ist schon ein sehr cooler Typ. Außerdem verfolgt er ein bisserl den US Sport, so dass wir uns oft auch darüber etwas unterhalten. Er muss immer schmunzeln wenn ich dann wieder mit einem anderen Basketball Trikot ankomme. ;-) Die sind bei dem Klima hier nämlich mein präferiertes Kleidungsstück, kein Wunder bei der Sonne und Hitze. ;-)
Am Wochenende sind er und Elia oft außerhalb der Stadt an einem der vielen Strände, wo sie ein kleines Strandhaus besitzen.

Naja ist 24 und studiert Medizin. Sie muss sich gerade auf die Prüfungen für den nächsten Studienabschnitt vorbereiten, Fachrichtung Dermatologie. Ich mag sie sehr, weil sie wir ihre Mutter ein sehr herzliches und warmes Wesen hat. Als ich hier am ersten Abend angekommen bin und sie mir die Wohnung gezeigt hat, da haben wir nur gelacht und geschmunzelt, weil ich vom Flug so ko war, dass es mir mit der portugiesischen Verben-Konjugation ein bisserl zu viel war, haha. Sie ist wirklich süß.

Felipe ist 25 und arbeitet als Ingenieur bei einem staatlichen Unternehmen hier im Nachbarbezirk. Er ist sehr viel am arbeiten, immer früh bis spät unterwegs in Sachen Job, weswegen ich ihn morgens beim Frühstück nie sehe. Aber wenn wir mal Zeit haben zu quatschen am Abend oder zwischendurch, dann gibt er mir oft Tipps und erklärt mit seine Sicht auf die Dinge bzgl. dem Land, der Mentalität, der Menschen. Das ist schon sehr interessant für mich. Er ist wirklich so ein richtig relaxter, total entspannter und cooler Bahiano, wie ich ihn mir vorgestellt habe. ;-) 

Das ist also die Familie Cardoso, bei der ich jetzt 7 Wochen untergebracht bin. Ich bekomme jeden Morgen Frühstück, darf die Küche benutzen und auch das Wohnzimmer und mich hier richtig "zu Hause" fühlen, das ist schon alles sehr herzlich und gastfreundlich und man merkt, dass die ganze Familie sehr offen gegenüber anderen Kulturen und Menschen aus anderen Ländern ist. Insgesamt muss man schon sagen, dass ich hier auf jeden Fall in der guten bis oberen Mittelschicht für brasilianische Verhältnisse untergebracht bin und die Familie sehr gebildet ist. Beide Kinder haben einen Uni-Abschluss, Elia und Rob sowieso. Das muss man sich bzw. ich mir immer wieder vor Augen halten, dass ich hier schon in einer für brasilianische Verhältnisse recht wohlhabenden (aber keinesfalls reichen) Familie untergebracht bin.
Außerdem gibt es noch die süße Katze "Mini", die hier fest zur Familie gehört. Sie liebt es hier auf meinem Schaukelstuhl zu entspannen und trottet ansonsten mit ihrem lustig klingenden Halsband durch die Wohnung. 

Ich habe ein eigenes Zimmer mit dazugehörigen Bad und Blick auf eine der Hauptstraßen hier in Barra. Die Straße ist schon sehr belebt bis spät in die Nacht. Ich habe ein paar Nächte gebraucht, um mich daran zu gewöhnen, aber inzwischen klappt es ganz gut mit dem Schlafen. Von der Lautstärke und dem Lärm ist es aber schon ein anderes Level als in Deutschland. Hier passiert einfach sehr viel auf der Straße, manchmal fahren Autos mit riesigen Sound-Boxen vorbei um Werbung für ihre CDs zu machen und ab und zu passiert es auch mal, dass die Strand-Jungs mit ihren riesigen Schubkarren mit den Sachen vom Strand gegen ein Auto knallen und dann gibt es mitten in der Nacht erstmal Auseinandersetzungen wer jetzt genau Schuld hat. ;-) Auch wenn ich damals in Münster schon mal an einer sehr belebten Straße gewohnt habe; das hier ist definitiv anders und wirklich "lebendig" und interessant. Was hier so alles auf der Straße passiert, welches Leben hier herrscht... frühmorgens um 6, nachts um 11. Wirklich "leise" ist es eigentlich nur von 2 bis halb 5. Aber ich habe mich daran gewöhnt und die Lautstärke kümmert mich wenig. Wenn ich jetzt in irgendeinem Zimmer zum Hinterhof leben würde, wo man sich abgeschnitten vom Leben fühlt, würde mich das eher stören. Manchmal schaue ich einfach aus dem Fenster, beobachte die Leute, wie sie vom Strand kommen und wenn einer der beiden Fußballvereine aus Salvador gerade spielt, dann ist es sehr interessant die Reaktionen der Menschen in den Häusern gegenüber zu verfolgen, wenn gerade ein Tor fällt.

Schräg gegenüber ist eine kleine "Mini-Favela/Comunidade". Dort sollte man nicht unbedingt die Treppen bis auf den kleinen Hügel hinaufsteigen, besonders nicht nachts. Ich wurde schon oft gewarnt, dass dort viele drogenabhängige Leute wohnen und dort sollen auch immer wieder Überfällt geschehen. Auf jeden Fall gibt es dort eine Familie, die mehrere Tiere hält, unter anderem einen Hahn, der dann morgens in der früh oft anstimmt.. Ohje, dachte ich mir die ersten beiden Nächte, aber selbst daran habe ich mich inzwischen gewöhnt. In der Sprachschule muss ich mir dafür jedoch oft Witze anhören, dass mich hier oft morgens hier der Hahn aufweckt. ;-) Aber da das Leben hier eh sehr sehr früh losgeht (bald mehr dazu in einem extraposting) ist das kein Problem.  

Wenn ich die Straße nach links oder rechts gehe, egal in welche Richtung, komme ich immer an den Strand. Zur meiner Sprachschule sind es auch nur 6, 7 Minuten, das ist wirklich ein Luxus. Ansonsten habe ich hier in Barra von meiner Wohnung aus, dadurch dass sie so zentral liegt, den Vorteil, dass ich alles was man so braucht (Supermärkte, Restaurants, Bars, Apotheke, Shopping Center) Innerhalb von 10 Minuten zu Fuß erreichen kann.


der Blick aus meinem Fenster auf die kleine "Mini-Comunidade / Favela/ Hüttensiedlung" hier an meiner Straße auf dem kleinen Hügel

so sieht es morgens um 6 Uhr hier aus

Blick auf die belebte Straße vor meinem Fenster, 6. Stock

7 Minuten zum Strand

irgendwo dort ist der Hahn zu Hause, der mich zeitweise morgens weckt ;-) 

alles im Hause von Elia hat Stil, wie auch mein Schreibtisch




Küche bei Familie Cardoso














Eingangstor zu unserem Hochhaus, die Porteiros machen sofort auf wenn sie mich am Eingang sehen, ein kurzer Plausch, obrigado und dann nehme ich immer die Treppen, wie in Osnabrück, beide Male in den 6. Stock

direkt um die Ecke wo das gelbe Auto steht, da ist schon der Supermarkt




Elia liebt Kunst



Straße vom Eingang / Tor aus

Barra Beer - unser Stammrestaurant Comer (Essen) a kilo :-)

die Treppen hier zum kleinen Morro hoch, keine gute Gegend da oben

das edificio Maria Alice, 6 Stock









vom Morro kommen abends am Wochenende noch lange Samba Klänge







"Mini", die süße Katze hier in der Familie. Sie entspannt oft bei mir im Zimmer und trägt ein lustiges Kling-Halsband 


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