Montag, 12. Oktober 2015

pegar o ônibus


Busfahren ist hier wirklich ein Abenteuer und ziemlich chaotisch. In vielerlei Hinsicht. Wenn man es meistert, dann macht es aber sehr viel Spaß und ist eine gute Art um die ganze Stadt mit den vielen vielen einzelnen Stadtteilen und Viertel (insgesamt sind es 106 offiziell) kennenzulernen. Außerdem kommt man so sehr gut mit dem "aufthentischen" Brasilien und der Bevölkerung in Kontakt. Ich mag es, auch wenn ich mich manchmal aufgrund der wirklich verrückten Fahrweise schon etwas konzentrieren muss, damit mir nicht übel wird (bin da ja sehr empfindlich).


Also, womit fand ich an? Die Unterschiede zu Deutschland fangen beim Busfahren (damit meine ich jetzt die Omnibusse in der Stadt, die Fernbusse sind eine andere Geschichte und ganz anders strukturiert) in Brasilien schon damit an, dass es keine ausgehängten Fahrpläne gibt. Ja, richtig gelesen. Auch online gibt es keine festen Zeiten. Und auf die angegebenen Nummern im Netz kann man sich eh nicht verlassen. Es stehen an den Bushaltepunkten auch gar keine Nummern oder irgendwelche Infos. Nirgens. Wie macht man es? Man wartet einfach und schaut auf die elektrinoschen Anzeigen der Busse, die vorbeifahren. Da hier in Salvador wirklich viele viele viele Busse unterwegs sind, dauert das wirklich nicht lange, quasi alle 30 Sekunden fährt ein Buss vorbei. Man winkt dann ganz hektisch und zeigt dem Fahrer an, dass man einsteigen möchte. Dann quetscht man sich in den Bus und die hektische Fahrt durch die überfüllte Stadt geht los. 

Irgendwie macht es dann aber doch sehr viel Spaß wenn man "drauf hat". Das Problem ist nur: Wie weiß man, welche Busse mit welchen elektronischen Anzeigen der befahrenen Viertel wann wo entlangfahren? Hmmm, gute Frage. Und was ist wenn man in ein Viertel möchte, was gar nicht auf den Bussen vorne angezeigt wird? Noch bessere Frage... man muss sich einfach durchfragen und wird dann durch Erfahrung schlauer. Einfach zur nächsten Bushaltestelle gehen, dort jemanden fragen und dann hat man es für das nächste Mal raus. Dauert natürlich so etwas. Aber man kann das alles hier eh in den meisten Bereichen nicht mit der kühlen, effizenten und durchorganisierten Art aus Deutschland bzw. Europa vergleichen.
Ja, so machen es die Brasilianer. Klingt unglaublich chaotisch, ist es (die ersten Male) auch, aber so funktioniert das hier eben. Chaotisch-Brasilianisch eben. Irgendwie ist es eben aber dann doch unterschwellig so organisiert, dass man ans Ziel kommt. Und wie gesagt, das Bus System an sich, also die Frequenz der Busse, ist wirklich beeindruckend gut.

Ich bin bis jetzt in den ersten 2 Wochen fast jeden Tag hier von Barra aus mit dem Bus irgendwo hingefahren. Es ist ein unglaublich schönes und aufregendes Feeling wenn man den Kopf etwas aus dem Fenster halten kann und unter den Hochhäusern entlang fährt, die Viertel auf den Hügeln betrachtet, einem die milde Fahrt-Luft entgegenströmt und das Leben überall einfach nur pulsiert. Einfach weiterfahren, irgendwo aussteigen, wieder einsteigen und so die Stadt erobern.  Bei jedem Einstieg in den Bus muss man 3 Reais bezahlen, also quasi "nichts". 70 Cent und man kann so lange mit der Linie fahren wie man will.

Okay, anfangs muss man natürlich etwas "Lehrgeld" bezahlen und man landet vielleicht mal ganz woanders als man das eigentlich vorhatte. Mir ist das bisher ein Mal so richtig heftig passiert, als ich am Samstag mit Rob unterwegs war und wir von der Altstadt nach Barra zurückwollten und dann irgendwie mitten in einer doch recht großen Favela / Comunidade (Santa Cruz) gelandet sind, wo wir sofort nach dem Aussteigen (der Bus fuhr einfach nicht mehr weiter und der Fahrer hat den Bus einfach abgestellt, keine Ahnung warum) von allen Augen der Leute dort etwas fragend angeschaut wurden, was wir denn hier verloren haben. Aber das war kein Problem. Wir bekamen nette Hilfe, wo wir wann den nächsten Bus nehmen können und das war ann alles ganz gut.

Damit hören die Unterschiede zu Deutschland aber noch nicht auf. Um sich das alles mal  mal konkreter vorzustellen: Es ist schon andersIn einem brasilianischen Bus arbeiten immer 2 Leute: Der Fahrer und der Cobrador, der Kassierer. Er sitzt entweder hinten oder vorne an der Seite und man muss immer an ihm vorbei, bezahlen oder die elektronische Karte vorzeigen und dann durch das Drehkreuz. Schwarzfahren ist damit sozusagen unmöglich. Außerdem hat der Cobrador noch den Job, während der Fahrt bei Spurwechseln mit wilden Handgestikulationen aus dem Fenster heraus auf den Verkehr einzuwirken. Da die Spurwechsel hier wirklich abenteuerlich sind, ist das auch wirklich nötig. Wahnsinn wenn man das zum ersten Mal live sieht. Ja, die Busfahrer sind wirklich verrückt am Steuer. Ein Wunder, dass ich bisher noch nicht Zeuge eines Unfalls geworden bin. Und alles auf der Straße ist unglaublich hektisch. Das ist hier eben so. Hupen, "Druck machen"... immer weiter. Auf Fußgänger, Verkehrszeichen, Zebrastreifen und Ampeln wird hier nur sehr wenig Rücksicht genommen. Ist eben so. Man muss sich anpassen. 

Das "soziale Leben" im Omnibus gefällt mir sehr gut: Die Menschen sind freundlich, machen Platz für ältere Menschen und manchmal gibt es Sänger, Musiker oder Geschichtenerzähler, die etwas Kunst machen (und dafür natürlich entlohnt werden wollen, hehe). Es ist natürlich zu den Stoßzeiten sehr voll und alles ist schon recht hektisch und chaotisch, aber irgendwie liebevoll. Die Bahianos und Bahianas lieben ihre Omnibusse. Müssen sie ja auch, denn auf der Schiene spielt sich hier ja nun wirklich fast nichts ab im Sinne von Personenverkehr. Auch das ist Brasilien.

Ich hab das alles bisher ganz gut hinbekommen und werde weiter viel mit den Bussen hier die Stadt durchfahren. Nur nachts muss man aufpassen, das wird einem von allen hier gesagt. Das ist dann eine andere Nummer, alleine in einem leeren Bus zu sitzen - dann sollte man doch lieber ein Taxi nehmen.





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