Dienstag, 8. Dezember 2015

trem suburbia

Eine Sache wollte ich zum Abschluss meiner Salvador-Eroberung auf jeden Fall noch unternehmen: Mit dem Zug die Vororte besuchen. Es war ein ziemliches "Abenteuer", aber ein sehr sehr lohnenswerter Trip... ziemlich ziemlich abseits der Pfade, die sonst hier Nicht-Einheimische betreten. Aber gut, dass ich kein gewöhnlicher "Gringo" bin, das haben meine Gasteltern und die Lehrer in der Schule ja schon früh erkannt, wenn sie schmunzelten, in welchen Gegenden ich mich mal wieder herumgetrieben habe. 
Ich würde fast behaupten, die Fahrt mit dem Zug war eine der interessantesten Sachen, die ich komplett alleine durchgezogen habe. :-)

Zum "Zug", also dem "trem" gibt es folgendes zu sagen:
Man darf sich das auf gar keinen Fall so vorstellen wie in Europa. Es gibt so etwas wie einen Zugverkehr zwischen den einzelnen Städten nicht in Brasilien. Das wird ja alles mit den Fernbussen geregelt. In vielen Großstädten, so auch in Salvador, gibt es eine Metro. Ein klassicher "Zug", also so eine "Bimmelbahn" ist nicht unbedingt das typische Transportmittel im Brasilien der heutigen Zeit. Meist führen diese Züge hinaus in die Vorstädte und sind wirklich von ihrer Erscheinung und dem ganzen Prozedere so als wären sie in der Entwicklung ein paar Jahrzehnte zuvor stehen geblieben. So auch in Salvador.
Der Zug war richtig richtig alt, anfangs war ich echt erstaunt, dass das Ding überhaupt noch fährt.

In Salvador wird der Zug nur von den Leuten benutzt, die in den armen Vororten und Bairros/ Favelas am Rand der Stadt wohnen. Von allen Leuten, mit denen ich gesprochen habe - und das waren nicht wenige Einheimische- ist kein einziger jemals mit dieser Bahn gefahren, manche Leute wussten gar nicht mal, dass es sie gibt. Für mich völlig unverständlich, denn es war ein sehr lohnenswerter Trip für mich unter dem für mich laufend geltenden Slogan, dass ich gerne das "echte Salvador der Menschen in ihrem Alltag" erkunden möchte.
Teilweise ist das meiner Meinung nach auch dadurch bedingt, dass sich viele Brasilianer wenig um das scheren, was am Rande ihrer Städte passiert und oftmals auch gar nichts von diesen Armutsbezirken wissen möchten bzw. das verdrängen.

Es war diesbezüglich schon etwas "riskant" den Zug zu nehmen, das haben mir vorher auch einige Leute gesagt, z.B. Carlinda die Haushälterin - in dem Sinne dass die Stecke aussließlich durch sehr sehr arme Gegenden und Bairros führt. Ich bin dort auch nicht ausgestiegen und dort alleine rumgelaufen. Das wäre so ziemlich die schlechteste Idee gewesen, die ich hätte haben können. Als ich an der Endstation angekommen war, habe ich das auch sehr gut verstanden, warum Carlina mir davon GANZ STARK abgeraten hat. Ein Taxifahrer beschrieb mir das Ganze so: "Mit den Vororten... ja, das ist so eine Sache: Manche Leute kommen nicht mehr zurück". Die Chance, dass ich da nach ein paar Metern alleine spazierengehend quasi "auseinandergenommen" und durchgeschüttelt würde bis aus meiner Tasche ein paar Münzen fallen - um es mal etwas amüsant zu beschönigen - war einfach viel viel zu hoch. Das wäre Wahnsinn gewesen.
Ich bin an der letzten Station einfach im Zug sitzen geblieben und bin zurückgefahren, kein Problem.
Ja, was Gewalt und Armut angeht sind die Vororte, die suburbia leider mit an der Spitzenposition, was aber natürlich letztendlich nur "logisch" ist für die Art und Weise der Stadtentwicklung und Planung in Brasilien.

Es war dann wirklich so, wie ich mir das durch das Gespräch mit Carlinda schon etwas gedacht habe; aber dass es wirklich so extrem war, hätte ich nicht gedacht: Sowohl am Bahnsteig wie auch im Zug selbst war ich der Einzige "hellhäutige" aussehende Passagier. Was sagt uns das über die Verteilung von bitterer Armut in Brasilien? - Richtig... Armut und Hautfarbe, jeder kann seine Schlüsse daraus ziehen. Die Realität ist leider genau so.

Klar, die Leute haben mich schon "gecheckt" und sich gefragt, "Was will der denn hier?", denn aufgefallen bin ich in diesem Kontext auf jeden Fall. Es ist aber nichts passiert, kein Überfall oder dergleichen im Zug. Warum?
Weil wirklich überall, überall... an jeder Station und in so gut wie jedem Zugabteil schwer bewaffnete Militärpolizei präsent war. Allein an der Menge der eingesetzten Polizisten kann man ungefähr ablesen, wie es um die Sicherheit in den Vorstädten bestellt ist. Die Arbeitslosigkeit ist erschreckend hoch, Gangs beherrschen das Geschehen auf den Straßen ... und direkt an der Bucht wohnen die Ärmsten der Armen, teils in Baracken, die auf Stelzen im Wasser stehen. Mich haben viele der Eindrücke sehr nachdenklich gemacht und ich habe echt viel Mitleid mit diesen Menschen gehabt, die in dieser Ecke der Stadt leben. Viele hängen den ganzen Tag auf der Straße rum, sitzen vor ihren Häusern... Tristesse bis irgendwann die Kinder von der Schule wiederkommen. 

Gleichzeitig habe ich aber sehr interessante landschaftliche und urbane Eindrücke sammeln können, schon sehr interessant wie das Leben da rund um die Allerheiligenbucht sich so präsentiert... weit weit draußen vom Zentrum von Salvador. Genau darin lag ja für mich auch der Reiz dieses kleinen Abenteuers.

Und was hat es gekostet den Zug zu nehmen? - Ganze 50 Centavos, also etwas mehr als 10 Cent. Wahnsinn... 
... und am nächsten Tag waren in der Schule wieder alle Lehrerinnen erheitert, wo ich mich rumgetrieben habe bzw. haben einen kleinen Schock bekommen. ;-)


Auf den folgenden Karten und Bildern könnt ihr euch ein Bild von der Route machen. Insgesamt dauert die Fahrt bis zur Endstation Paripe gute 45 Minuten und führt direkt an der Allerheiligenbucht entlang. Ein kleines Stück geht es sogar über Wasser, was man unten auf den Bildern sehr gut erkennen kann.










Unten könnt ihr euch ein Video anschauen, was meiner Meinung nach ganz cool die Atmosphäre einfängt und bisserl was von der Strecke, den Häusern am Wegesrand, den Favelas und der Fahrt über die Bucht zeigt.

Ich selbst habe im Zug nur wenige Fotos gemacht, deshalb habe ich hier einige sehr sehr coole Fotos von einem Foto-Blogger verlinkt. Ich hab mich am Bahnhof in Calçada dann auch die Graff- Sachen an den Zügen konzentriert. 

Viel Spaß mit den Fotos und dem Video!





















































































































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