Sonntag, 13. Dezember 2015

Maceió, Alagoas - eine Großstadt zwischen Traumstränden und Kriminalität (2)

"Vom Urlaubsparadies zur Verbrecherhochburg

Bis vor ein paar Jahren stand die Hauptstadt von Alagoas im Nordosten Brasiliens mit ihrem tropischen Flair, Korallenriffs und Bilderbuchstränden bei Touristen und Sprachschülern hoch im Kurs. Doch im Gegensatz zu São Paulo und Rio de Janeiro, wo die Kriminalität in den letzten zehn Jahren aufgrund des wirtschaftlichen Wachstums und verbesserter Lebensbedingungen kontinuierlich zurückgegangen ist, hat sich die Sicherheitslage in Alagoas und besonders in Maceió dramatisch verschlechtert.

Trotz Tourismusindustrie herrscht dort überdurchschnittlich viel Armut und soziale Ungerechtigkeit. In Alagoas lebt über die Hälfte der Bevölkerung unter der Armutsgrenze, etwa ein Viertel kann weder lesen noch schreiben. Vor allem in den 15 großen Favelas (Slums) von Maceió herrschen unhaltbare Zustände.

Mit der Perspektivlosigkeit steigen Unzufriedenheit, Alkohol- und Drogenkonsum. Vor allem Crack wird für die hohe Gewaltbereitschaft verantwortlich gemacht. Drei Euro Schulden beim Dealer bezahlen viele Jugendliche schon mit dem Leben. Freunde töten sich gegenseitig, Mütter verlieren mehr Söhne als zu Kriegszeiten. Bei den Mordopfern handelt es sich vorwiegend um junge, drogenabhängige, arbeitslose Analphabeten. Zudem werden unter den Zuckerrohrbauern und Viehzüchtern Rechnungen oft mit Fäusten und Messern beglichen – oder gleich per Auftragskiller."

http://the-worldtraveler.com/lateinamerika-die-gefaehrlichsten-staedte.html

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Zeitungsbericht von derwesten.de - hier äußert sich auch Svetlana, die hier die goBrasil -Sache organisiert, zu den Zuständen auch hier im kleinen Vorort Garça Torta:

"Von meinen Freunden und Bekannten bekomme ich momentan nur neidische Blicke und Nachrichten, schließlich verbringe ich meinen Winter in einer wundervollen Stadt direkt am Strand. Doch dass hier gar nicht alles so toll und unproblematisch ist, erkennt man schnell, wenn man einmal hinter die Fassade blickt . Denn die Millionenstadt Maceió ist die gefährlichste Stadt Brasiliens.

Im Vergleich zu anderen Hauptstädten brasilianischer Bundesstaaten führt Maceió die Verbrechensstatistik an – und in ganz Lateinamerika liegt die Stadt an zweiter Stelle mit 85 Morden pro 100 000 Einwohner (im Jahr 2012). Dabei steht die Hauptstadt von Alagoas im Nordosten Brasiliens mit ihrem tropischen Flair, Korallenriffs und Bilderbuchstränden bei Touristen hoch im Kurs. Doch trotz wachsender Tourismusindustrie herrscht hier überdurchschnittlich viel Armut und soziale Ungerechtigkeit. In dem Bundesstaat Alagoas lebt über die Hälfte der Bevölkerung unter der Armutsgrenze, etwa ein Viertel kann weder lesen noch schreiben. Vor allem in den großen Favelas und Vororten von Maceió herrschen unhaltbare Zustände. Durch diese Perspektivlosigkeit entstehen schnell Unzufriedenheit, Alkohol- und Drogenkonsum und die Gewaltbereitschaft steigt. Drei Euro Schulden beim Dealer bezahlen viele Jugendliche schon mit dem Leben.

Auch ich höre fast täglich in den Nachrichten von neuen Verbrechen in meinem momentanen Wohnort und mir wird immer bewusster, dass ich mich hier nicht einfach so verhalten kann wie in Deutschland. Abends am Strand joggen gehen oder nachts vom nächstgelegenem Vorort mit dem Fahrrad nach Hause fahren sind Gewohnheiten, die ich hier schnell abzulegen wusste. „Als ich im Oktober hierher zog, wurden in unserer Nachbarschaft kurze Zeit später sechs Männer erschossen“, erzählt Svetlana Pashchenko, eine junge Deutsche, die hier in Maceió ein Praktikum absolviert.

Für viele kommt diese Nachricht überraschend: Im Vergleich mit anderen Hauptstädten brasilianischer Bundesstaaten führt Maceió die Verbrechensstatistik an. Wurden im Jahr 2000 360 Morde registriert, waren es 2010 schon 1 025. 2011 kletterte die Zahl sogar auf 1 564, das sind rund 135 Morde auf 100 000 Einwohner. Alle zwei Stunden ließ 2013 in Maceió ein Mensch sein Leben. Die Opfer sind in der Regel zwischen 18 und 29 Jahre alt. Doch niemand redet, niemand hilft. Unter Freunden und in den Familien geht die Angst um, wer als nächster dran sein könnte. Aber auch das ist keine Überlebensgarantie: Wer der Polizei aus Angst vor Racheakten nicht hilft, kann sich meist seines Lebens nicht mehr sicher sein – zum Beispiel wenn ihm die Drogenbosse nicht glauben, dass er geschwiegen hat …"

http://www.derwesten.de/staedte/nachrichten-aus-bad-berleburg-bad-laasphe-und-erndtebrueck/in-der-gefaehrlichsten-stadt-id8961873.html

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"Das Papadrómo von Maceió

Es war, ist und bleibt ein heiliger Ort. Zumindest für Luzinete dos Santos. Sie war damals vor 16 Jahren zwar nicht mit dabei, doch sie hat viel darüber gehört. Alleine darum respektiert sie diesen Platz. Nicht wie die anderen. Die anderen, dass sind Drogendealer, Verbrecher, Gesindel. Sie lungern herum, trinken, nehmen Drogen und feiern Feste. Und sie machen Geschäfte. Zudem haben sie alles gestohlen was nicht niet- und nagelfest war.
Papadromo. Wir sind in Maceió, der Hauptstadt des Bundesstaates Alagoas. Hier steht eine von zwei Konstruktionen in Brasilien, welche nur für einen einzigen Zweck gebaut worden sind. Eine Papstmesse. Am 19. Oktober 1991 versammelten sich zehntausende von Gläubigen auf dem fussballfeldgrossen Platz am Rand der Küstenstadt, um Papst Johannes Paul II. bei seiner Brasilienreise zu erleben und mit ihm gemeinsam zu beten.

Die Gläubigen sind verschwunden. Und Gott anscheinend auch. Lange Zeit blieb der Ort verwaist, Vandalen hinterliessen ihre Spuren. Nur ab und zu wurde hier in der Vergangenheit für eine Weihnachtsmesse genutzt. Ansonsten haben sich hier maximal Regionalpolitiker im Wahlkampf eingefunden. Es ist ein offener Altar, früher war rechts und links davon Panzerglas zum Schutz des Ponitfex montiert gewesen, doch auch dieses sucht man heute vergeblich. Nur die aus Beton und Stein gefertigten halbrunden Treppen, die den Ort wie ein römisches Theater aussehen lassen, fanden noch keine andere Verwendung.

Nun hat der Ort wieder ganzjährig eine Verwendung gefunden. Unter dem weitläufigen Dach wird heutzutage gehandelt. Kokain, Marihuana, Crack und LSD wechseln hier den Besitzer. Früher muss es mal ein wunderschöner Ort gewesen sein. Am Stadtrand gelegen, malerisch umrahmt von dem im Hintergrund gelegenen Lagoa Mundaú. Doch diesen Blick sucht man heute vergeblich. Denn zwischen dem “Praça do papa“, dem Papstplatz und dem See hat sich eine Favela gezwängt, die Vila Brejal. Dort wohnt Luzinete in einer einfachen Holzhütte. Es ist eine der ärmsten Gegenden von Maceió.

So hat sich das “Papadrómo“, wie es im Volksmund genannt wird, zu einem rechtsfreien Raum entwickelt. Massnahmen der Polizei sind wirkungslos, da diese schon aus weiter Entfernung sichtbar ist. Bis die Ordnungshüter am Altar angelangt sind, sind Banditen und Drogenhändler bereits lange in der angrenzenden Favela verschwunden. Der Erzbischof von Maceió, Antônio Muniz will nun verstärkt etwas dagegen unternehmen. Wer der rechtmässige Eigentümer ist, ist jedoch unklar. Fragt man im Rathaus des Küstenortes nach, bekommt man eine verwirrende Information. “Der Platz gehört nicht dem Staat und auch nicht der Stadt. Er gehört dem Volk und so ist es auch eingetragen“ erklärt Bürgermeister Cícero Almeida. Nach seiner Aussage hat das Militär von Alagoas entsprechende Pläne mit dem Objekt. Aus dem Gouverneurspalast hört man genau das Gegenteil. “Die Stadt ist Eigentümer“ so Vizegouverneur José Wanderley Neto. Und die Regierung des Bundesstaates habe derzeit keinerlei Pläne für eine Nutzung der Fläche.

Daher will laut Muniz sich auch niemand darum kümmern, Reparaturen durchführen oder das Gelände regelmässig säubern. Doch noch ist die Kirche machtlos. “Wir können aber nicht einfach hingehen und den Platz besetzen. Wir hoffen, dass dieser Ort der Kirche gestiftet oder zur Verfügung gestellt wird“, so der Erzbischof in einem Zeitungsinterview. Das “Papadrómo“ sei für ihn ein “Schatz des Staates Alagoa“ und die Kirche wolle es unbedingt für die Menschen erhalten und renovieren.
Von den Plänen der Kirche weiss Luzinete nichts. Doch sie erinnert sich genau an die Wahlkampfreden der Politiker. “Hier auf der Bühne haben sie gestanden. Sie haben uns versprochen, das Elend hier in der Favela zu verringern. Es wurden uns Siedlungen versprochen. Aber nichts ist geschehen.“
Sie wird wütend, wenn sie daran denkt, wie dieser Ort nun von Kriminellen missbraucht wird. Und dass dem niemand endlich Einhalt gebietet. Auf die Drogendealer angesprochen kann sie nur den Kopf schütteln. “Denen fehlt einfach Gott im Herzen“ sagt sie traurig und kehrt in ihre Favela am Seeufer zurück."

http://www.brasilienportal.ch/wissen/brasilien-report/kurz-reportagen/das-papadromo-von-maceio/

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