Freitag, 25. September 2015

"Favela Rising" (1) - Eine Favela ist was... g e n a u ?




"Favelas werden häufig fälschlicherweise als „Slums“ bezeichnet. Es handelt sich jedoch weder um Elendsviertel im engeren Sinne, noch zeichnen sie sich durch einen chaotischen, behelfsmäßigen Siedlungscharakter aus. Favelas sind konsolidierte Wohngebiete mit fester Bausubstanz. Sie bilden die Wohnräume der städtischen Unterschicht Brasiliens, die aufgrund ihres sehr niedrigen Einkommens keinen Zugang zum Wohnungsmarkt der „offiziellen“ Stadt hat.





Favelas entstanden vor über 100 Jahren als illegale Landbesitznahmen und entzogen sich lange Zeit der administrativen Planung. Wenngleich die Grundrechtsfragen heute meist längst geklärt sind, werden sie noch immer vielfach als „informelle Stadt“ erachtet und behandelt. Die „formelle Stadt“ ist derweil ökonomisch von den Dienstleistungen der Favela-Bewohner abhängig. Diese putzen, kochen oder bewachen Bürogebäude und Privathäuser, sind im Baugeschäft tätig, arbeiten als Lastenträger oder Snackverkäufer.
Als Heer billiger Arbeitskräfte wird die städtische Unterschicht gebraucht und akzeptiert. Aus dieser Perspektive ist sie vollständig in das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem integriert. Hinsichtlich ihrer Rechte und sozialer Anerkennung ist sie jedoch stigmatisiert. Die brasilianische Gesellschaft lebt noch immer eine ausgeprägte Klassentrennung. Bewohner anderer Stadtteile haben weder das Interesse noch die Notwendigkeit, sich in den Wohnvierteln der Unterklasse aufzuhalten. So bleibt die informelle Stadt für die Außenwelt nahezu völlig unbekannt, was die Vorurteile über ihre Bewohner nur verstärkt.

 




Deshalb kommt nicht-staatlichen und politischen Initiativen große Bedeutung zu, die sich darum bemühen, die Lebensbedingungen in den Favelas und deren Image zu verbessern. Hierzu zählen Sozialprogramme wie die Bereitstellung von kostenlosem Internetzugang, Investitionen in die Ver- und Entsorgungsstrukturen, aber auch die Befriedungsprogramme wie z.B. der Stadtregierung Rio de Janeiros, die für mehr Sicherheit sorgen sollen. Wichtig für das Bild der Favelas in der Öffentlichkeit ist auch das wachsende touristische Angebot an „Favela-Tours“. Durch bessere Zugangsmöglichkeiten der Favela-Bewohner zu Internet und sonstigen Medien wurden in der letzten Zeit auch eigene Filmproduktionen möglich, wie zum Beispiel „Cinco vezes favela – por nós“. Sie zeigen den Lebensalltag all der Bewohner, die die Favela für ihre Existenzsicherung benötigen – und nicht die höchstens fünf Prozent, die sie für illegale Machenschaften nutzen."

© and props to Veronika Deffner
http://www.dandc.eu

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